In Hannover hat ein Hund zwei Menschen tödlich verletzt. Die genauen Gründe werden vermutlich nicht aufzuklären sein, dem Hund steht wahrscheinlich die Euthanasie bevor.
Der betreffende Hund, Chico, soll ein Staffordshire-Mischling sein.

Seit im Jahr 2000 zwei Hunde den Jungen Volkan getötet hatten, wurden in vielen Ländern die Hundegesetze dramatisch verschärft, beinahe überall wurden Rasselisten eingeführt, um die Haltung „gefährlicher Rassen“ zu reglementieren oder gar vollständig zu untersagen.
In Niedersachsen gibt es aktuell keine Rasseliste, die Einschätzung der Gefahr eines Hundes im Einzelfall ist als fortschrittlich zu betrachten.
Im Fall dieses Hundes, der bereits 2011 auffällig wurde, hat die Stadt Hannover jedoch versagt. Eine notwendige Überprüfung blieb aus – die Folgen dieses Fehlers sind nicht mehr rückgängig zu machen. Von Seiten des Tierschutzvereines, der zweimal die Haltungsbedingungen überprüfte, hieß es eine Vernachlässigung sei nicht festzustellen. Die Stadt dagegen hätte, wenn die Überprüfung erfolgt wäre, bereits vor Jahren die Haltung verboten.

Kein Kampfhund: Die Laus

Böse aussehen kann jeder Hund – selbst eine friedliebende Laus.
Foto von Lara

Wie lassen sich solche Vorfälle verhindern?
Weder jetzt in Hannover noch damals in Hamburg waren Hund und Halter vor den tödlichen Angriffen unauffällig. In Hamburg war bekannt, dass der Halter bereits eine längere kriminelle Vorgeschichte hatte, auch Beissvorfälle waren zuvor mehrfach angezeigt worden. Maßnahmen waren an „Computerfehlern“ und fehlerhaften Adressen gescheitert. Tödliche Fehler, die niemand als die eigenen erkannte.

In Hannover waren schon mehrfach Beschwerden wegen des Hundes eingegangen, die vergessene Überprüfung aus dem Jahr 2011 hätte auch hier Leben retten können.

Es wurden längst Rufe laut nach Rasselisten für Niedersachsen und schärferen Gesetzen. Doch genau wie 2000 waren die Gesetze, die Leben hätten schützen können, längst vorhanden. An ihrer mangelhaften Umsetzung muss sich etwas ändern, nicht am Inhalt.

Zuchtverbote oder Haltungsbeschränkungen für bestimmte Rassen gehen am Problem gänzlich vorbei.
Es gibt in Deutschland keine – legale – Zucht mit dem Ziel einer besonders aggressiven Rasse. Ein gesteigertes Aggressionspotential ist erblich, aber die Aufzucht, Sozialisierung und Lebensumstände des Hundes spielen eine genauso wichtige Rolle in der Entwicklung aggressiven Verhaltens.
Der genetisch „perfekt angelegte“ Hund kann durch eine misslungene Aufzucht genauso gefährlich werden, wie ein Tier, dessen Stammbaum von aggressiven Tieren gesäumt ist.

Niedliche Laus

Derselbe Hund, andere Pose.
Foto von Lara

Es ist unverantwortlich zu behaupten, eine Rasse sei gefährlicher als eine andere.
Verantwortungsvolle Züchter verwenden keine Elterntiere mit aggressiver Vorgeschichte. Verantwortungslose Züchter werden immer aggressive Tiere finden oder schaffen, mit denen sie aggressive Nachkommen züchten können.

Aggression ist in erster Linie ein natürliches Verhalten von Säugetieren – jeder Hund kann zubeißen, jeder Mensch kann zuschlagen. Die Gründe dafür sind vielfältig und genauso vielfältig zu bewerten. Dass sowohl Hunde als auch Menschen so aufwachsen sollten, dass es nicht zu aggressivem Verhalten gegen Mensch und Tier kommt, ist selbstverständlich.

Wer sich von einem Hund bedroht fühlt, der sollte diesen bei Polizei und Behörden melden – und sich nicht darauf verlassen, das nach der ersten Meldung bereits etwas geschieht.
Was wir brauchen sind keine weiteren Listen und Verbote. Was wir brauchen ist eine handlungswillige Verwaltung.

Quellen:
Es gibt keine Rasse namens Kampfhund, Süddeutsche, abgerufen am 09.04.2018
Tödliche Hundeattacke – Stadt Hannover räumt Fehler ein, Süddeutsche, abgerufen am 09.04.2018
Hund Chico tötet seine beiden Halter, Magazin Deine Tierwelt, abgerufen am 09.04.2018
Terrier war nicht als gefährlich gemeldet, Spiegel, abgerufen am 09.04.2018
„Meistens beißen Hunde Menschen, die sie kennen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 09.04.2018
Kampfhundopfer Volkan – Protokoll eines vorhersehbaren Todes, Das Erste, abgerufen am 09.04.2018
Nach tödlicher Attacke Haft für Kampfhundbesitzer, Sächsische Zeitung, abgerufen am 09.04.2018
Volkan – sechzehn Jahre ist es her, Hundelobby, abgerufen am 09.04.2018
Kampfhund-Prozess: „Ich konnte den Hund nicht mehr halten“, Tagesspiegel, abgerufen am 09.04.2018
BGH bestätigt Urteil im Hamburger Kampfhunde-Prozess, Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 09.04.2018
„Er machte alle kalt“, Spiegel, abgerufen am 09.04.2018
Kampfhund-Prozess „Das Urteil kann das Leid nicht lindern“ , Spiegel, abgerufen am 09.04.2018
Die Angst wird bleiben, Taz, abgerufen am 09.04.2018